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Regionalausgabe Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt


Regionalausgabe Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt

 

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Gute Stimmung: Im Dorfladen in Niedersonthofen herrschen beiderseits der Theke Humor und ein
freundliches Miteinander – das schafft eine besondere Einkaufsatmosphäre, da kommt man gerne wieder.

Dorf-Leben dank Dorf-Laden

Ohne Dorfladen fehlt die Nahversorgung mit Lebensmitteln und Gesprächen. Das
musste auch Niedersonthofen (Gemeinde Waltenhofen) erleiden – bis sie ihren
Laden mit viel Gemeinschaftsleistung wieder mit neuem Leben füllten.

Rühriger Umtrieb herrscht im Niedersonthofer Dorfladen. Kunden kommen und gehen, man kennt sich beim Vornamen
und jeder kennt jeden. Dass es zwischen den gut bestückten Regalen in den kleinen Räumen mitunter etwas eng wird, stört hier niemanden
– im Gegenteil – man kommt ins Gespräch und beiderseits der Theke wird viel gelacht. Jeder Kunde, der diesen Laden
betritt, öffnet mit der Eingangstüre auch ein Stück Geschichte. Unzählige Menschen haben die Klinke schon in der Hand gehabt – doch
vor einigen Jahren schien es, als seien die Tage des Dorfladens gezählt. „Über 100 Jahre und drei Generationen hat die Familie Sandholz hier
bei uns den Dorfladen umgetrieben, der ursprünglich als Kolonialwarenladen entstand. 2010 konnten Martha Sandholz mit über 70 Jahren und ihre Nichte die Arbeit aber nicht mehr bewältigen und haben den Laden geschlossen“, weiß Barbara Jörg, heutige Marktleiterin des Dorfladens, um die Geschichte der historischen Räume. Mit dem Laden ging auch der beliebte Treffpunkt in der Ortsmitte Niedersonthofens verloren. „Man
kam hier zusammen und die, die es nicht gewohnt waren, fanden es unsäglich“, erzählt Jörg. „Gerade für ältere Leute, die nicht mobil sind, war
das ein echtes Problem.“ Zudem habe sich das plötzlich fehlende Lebensmittel Angebot auch direkt auf die umliegenden Geschäfte ausgewirkt:
„Unser Bäcker hatte massive Einbußen, weil die Kunden ohnehin wegfahren mussten zum Einkaufen und das Brot dann auch gleich bei der
Konkurrenz in den umliegenden Orten mitgenommen haben.“

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Der Dorfladen ist das neue alte Herz in der Ortsmitte von Niedersonthofen (Gemeinde Waltenhofen).

Es musste etwas geschehen
Dass etwas geschehen muss, darin waren sich Peter Neßler, Hermann Siegel und Kurt Hübner deswegen einig. Die drei Niedersonthofener Rentner sind seit der Schulzeit befreundet und nahmen sich des Problems an. Als ersten Schritt und mit finanzieller
Unterstützung der Gemeinde engagierten sie mit Wolfgang Gröll, Firma NewWay, einen erfahrenen Berater, der bayernweit Dorfladenprojekte
berät. Die Machbarkeitsstudie zeigte, was sich die Dorfgemeinschaft erhofft hatte: Ein Laden für Niedersonthofen ist tragfähig.
Wie sehr den Niedersonthofenern ein Laden am Herzen lag, stellten sie bei der Gründungsversammlung im
dorfeigenen Gasthof Krone unter Beweis. 225 Anteilseigner zeichneten als stille Gesellschafter 355 Anteile à 180 €. „Der Saal war voll und
wir haben heute fast jeden Haushalt

im Ort als Anteilseigner dabei“, freut sich Jörg über den tollen Zuspruch. Über 60 000 € konnten so als Startkapital gesammelt werden, die
für die Renovierung, den Umbau, die Ladeneinrichtung und die Erstausstattung des Sortiments genutzt wurden. Die Renovierung des Ladens
wurde kostengünstig und auch hier mit großem Einsatz der Bevölkerung realisiert: „Da war viel kostenloser Handwerkereinsatz
dabei und insgesamt wurden 1500 Stunden unbezahlt geleistet.“ Nur ein Jahr verging von der ersten Idee, bis der Dorfladen im März 2012
wieder in Betrieb ging. „Ich erinnere mich noch genau an eine alte Dame im Ort, die mit Tränen in den Augen bei mir an der Kasse stand“, erinnert sich Jörg an die Eröffnung. Seither übertrifft der Laden alle Erwartungen: Statt im fünften Jahr, machte der Laden bereits im ersten Jahr Gewinn.640 000 € Umsatz konnten allein im vergangenen Jahr 2016 erzielt werden und für 2017 rechnen die drei Initiatoren
und heutigen ehrenamtlichen Geschä sführer mit einem Umsatzplus von weiteren 5 %. Und auch Marktleiterin Barbara Jörg kennt die
Zahlen ganz genau: „Wir hatten letztes Jahr 38 000 Kassiervorgänge bei einem durchschnittlichen Einkaufswert von 16,90 Euro. Vergleichbare
Dorfläden liegen bei neun bis zehn Euro.“

Spitzenwerte in der Urlaubszeit
Spitzenwerte erreichen die Niedersonthofer dabei vor allem in den Sommermonaten. Grund sind die rund 50 000 Übernachtungen im
850-Seelen-Ort. Private Ferienwohnungen, Urlaub auf dem Bauernhof und der nahegelegene Campingplatz locken die Touristen. Für diese zahlungskräftigen Kunden wurden eigens die Öffnungszeiten angepasst: „Die Anreise ist oft am Samstag bis zur Mittagszeit. Damit die Gäste
für das Wochenende noch einkaufen können, haben wir am Samstagnachmittag nochmal von 16 bis 18 Uhr geöffnet“, erklärt die Marktleiterin.
Dabei profitiere der Laden auch von der guten Zusammenarbeit mit den Gastgebern: „Wir haben dort wochenaktuell unsere Angebote
aushängen.“ Auf den 75m2 Ladenfächen finden die Kunden ein Vollsortiment vor: „Früher gab es hier nur ein kleines sogenanntes Trockensortiment mit Produkten wie Nudeln, Reis, Mehl, Zucker, Kaff ee und Tee. Frische Produkte gab es nur wenig – aber alleine
kann man auch keine Drei-Meter-Wursttheke in Schuss halten“, weiß Jörg. Knapp 50 verschiedene Lieferanten liefern heute die Waren für das
2400 Artikel umfassende Sortiment des umtriebigen Dor adens. Hauptlieferant für die breite Palette an Produkten ist die Firma Utz aus Ochsenhausen, die sich auf die Belieferung von Dorfläden spezialisiert hat und bedarfsgerecht auch kleine Mengen liefert. Daneben setzen die Niedersonthofer gezielt auf regionale Produzenten und Händler. Speziell die Frischeprodukte wie Wurstwaren, Frisch eisch, Milch- und Molkereiprodukte sowie Obst und Gemüse beziehen sie soweit wie möglich aus dem Allgäu.

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„Das Brot haben wir direkt aus der dorfansässigen Bäckerei May und den Honig vom Imker im Ort“, erklärt Jörg. Daneben stehen Zirbenzapfen-
und Gebirgskräuterwein aus der Allgäuer Gebirgskellerei in Wertach ebenso im Regal wie original italienischer Büffelmozzarella,
Parmesan, frische Zitronen und Oliven, die über persönliche Kontakte nach Italien regelmäßig ins Allgäu gebracht werden. „Wir können unseren
Kunden so etwas Besonderes bieten, was es nicht überall gibt.“ Damit konnte auch ein Kundenstamm aufgebaut werden, der weit über die
Ortstafeln des beschaulichen Dorfes hinausreicht.

Sechs Landwirte liefern Produkte

Exklusive Produkte entstehen auch in der Kooperation des Kräuterdorfs Niedersonthofen und dem nahegelegenen Puntzelhof, der wertvolle
Kräuter und Beeren zu Marmeladen, Senfen, Ölen und Molkebädern verarbeitet. Heimische Erzeugnisse erhält der Dor aden auch aus der
direkten Zusammenarbeit mit Landwirten. Sechs Landwirte liefern Produkte wie Kartoffeln, Käse, Eier, Honig und Essig. So kann dort der
Bergkäse der Alpe Hochried bezogen werden, der ansonsten ausschließlich auf der Alpe selbst verkauft wird. „Wir können den Landwirten
auf diesem Weg und ohne Zwischenhandel den Preis bezahlen, den sie für ihr Produkt brauchen und sind trotzdem noch günstiger als die Konkurrenz der Supermärkte. Gerade die Frischeprodukte wie Fleisch, Wurst, Molkereiprodukte, Gemüse und Obst seien die Träger
des Ladens. „Darüber machen wir über 60 Prozent des Umsatzes und 90 Prozent des Gewinns“, rechnet Jörg vor, „da sind deutlich größere Spannen möglich, als bei haltbaren Waren.“ Die Marktleiterin sieht in eben diesen Warengruppen den Erfolgsschlüssel eines Dorfladens: „Frischeprodukte holt man oft – wenn man hier eine gute Qualität bietet, hat man die Kunden regelmäßig im Laden. Sie nehmen dann auch die anderen Produkte bei uns mit – wir haben viele Kunden, die gar nirgends anders mehr einkaufen als bei uns.“ Dass der Dorfladen aber über die
ganze Palette an Produkten generell etwas günstiger ist als der Supermarkt, überraschte sogar die Verantwortlichen. So konnte das Team bei
einem privaten Einkaufsvergleich von 60 Produkten aus verschiedenen Warengruppen feststellen, dass der Kunde im Supermarkt etwa ein
Prozent mehr bezahlt als im Dorfladen. Die Gründe hierfür seien vielfältig, weiß das Dreigestirn der Geschäftsführer: So arbeiten sie selbst
ehrenamtlich, wodurch keine Lohnkosten anfallen, der Zwischenhandel werde bei einer Vielzahl der Produkte als Kostenfaktor ausgeschaltet und auch die Nebenkosten wie Ladenmiete seien niedrig. Hinzu komme, dass auch die Löhne der Mitarbeiter etwas geringer seien, als bei einem herkömmlichen Supermarkt. Dafür hätten die Mitarbeiterinnen extrem kurze Wege zum Arbeitsplatz und bei weitem nicht den Leistungsdruck.

Bunter Haufen mit Humor

Neun Mitarbeiter beschä igt der Dorfladen plus zusätzlich zwei Mitarbeiter im Getränkeladen, der seit dem vergangenen Jahr ebenfalls vom Dorfladen betrieben wird. Fünf Mitarbeiter sind fest angestellt, die Übrigen auf 450-€-Basis. Die Damen stammen dabei größtenteils direkt aus dem Ort und waren zuvor als Hauswirtschafterin, Optikerin, Krankenschwester, Obst- und Gemüse-Fachverkäuferin oder Hotelfachfrau tätig. „Wir sind ein bunt gemischter Haufen und genauso vielfältig ist auch die Arbeit“, erklärt Jörg, „bei uns muss jeder alles können – von den Bestellungen bis zur Kasse.“ Die Harmonie zwischen den Mitarbeitern stehe bei der Auswahl vor den fachlichen Kenntnissen.
Und von hier müssen sie sein: „Das ist ganz wichtig bei uns: Kunde und Verkäufer sollen sich kennen – wir wollen kein anonymes Einkaufen.“
Als Besonderheit im Laden bezeichnet die erfahrene Verkäuferin auch die Stimmung im Laden: „Wir haben es selbst an Stresstagen lustig
hier drin und wenn wir gut drauf sind, dann ist auch Kundscha gut drauf.“ Herzlichkeit sei ein ganz wichtiger Faktor, der Kunden anspricht und
auch Fremde würden schnell mit eingebunden. Auch das übrige Team des Dor adens bringt sich nach Möglichkeit mit ein: „Wenn die Geschäftsführer zum Beispiel an Weihnachten Glühwein im Laden ausschenken, wird das ein richtiges Event hier drin.“ Daneben seien in der abendlichen und heimeligen Atmosphäre des Ladens auch schon Weinproben veranstaltet worden. Auch Fotovorführungen und Vorträge zu verschiedensten Themen organsierte das Ladenteam: „So möchten wir mit der Bevölkerung in Kontakt bleiben.“ Generell könne man im Dorf deutlich spüren, wie der Zusammenhalt der Gemeinschaft seit der Wiedereröffnung des Ladens gewachsen sei. „Da werden Infos ausgetauscht und man verabredet sich zum Kaffee – mit unserem Dorfl aden kann WhatsApp nicht mithalten!“

        

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Bis zu 5000 Zahlungsvorgänge
verbucht der Dorfl aden im Monat.
Neben klassischen Produkten wie in Supermärkten
bietet der Dorfl aden auch Produkte aus der Region.
Auf Frischeprodukte wie Obst und Gemüse wird
vom Dorfl aden-Team viel Wert gelegt.

 

Quelle: Florian Maucher

Allgäu-Beilage des Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblattes